GESCHICHTEN, LIEDER, MORITATE
Mit „Räuberpassion“ und „Hexnfeia“ hat der Gunstverein e.V. in den vergangen Jahren zwei Bühnenprojekte rund um historische Stoffe aus der Region präsentiert. Zurzeit arbeiten wir an weiteren Schandtaten und informieren hier über künftige Projekte und Termine, sobald sie feststehen.Hexnfeia: D’Gschicht von da Afra
Jahrelang kamen die Menschen in Scharen zur Schickin nach Bromberg, um Heilung von allen möglichen Leiden zu suchen. 1671 kamen sie dann ebenfalls in Scharen … nach Wiener Neustadt, um sie auf dem Scheiterhaufen brennen zu sehen.
Warum erzählte sie, die Afra, die kreuzbrave Katholikin, dem Richter so detailgenau von kleinen und großen Teufeln, von Flügen durch die Nacht und vielem mehr? Angst? Drogen? Oder ist das wortwörtlich erhaltene Gerichtsprotokoll eine plumpe Fälschung der Obrigkeit?
Die Geschichte der Hexenverfolgung wurde von jeder Generation anders erzählt. Welche Sichtweise bringt Hexnfeia? So viel sei verraten: geheime Blicke in die zaubrische Kristallkugel, nächtliche Pantscherl und Lieder über Wetterzauber und Kräutertee.
Ein Abend von und mit Viktoria Hillisch, Ernst Tauchner, Manfred Tauchner, Bernadette Schlembach, Michael Fleischhacker, Andreas Alte, Nancy Barbelo, Georg Winter und Nikolaus Link.
Offizieller Beitrag des NÖ Viertelfestivals 2024
Hexnfeia wurde im Rahmen des Viertelfestivals 2024 in Wiener Neustadt, Scheiblingkirchen-Thernberg, Trattenbach, Kottingbrunn und Mödling gespielt.
Die Räuberpassion
Seine Hinrichtung wollten Tausende sehen. Kein Wunder, er war einer der richtig Bösen: Nikolaus Schmidhofer, genannt Holzknechtseppl, war einer der unglaublichsten Räuber des Landes – und ist dennoch erstaunlich unbekannt. Mit seiner fünfzigköpfigen Bande, den Stradafüßlern, hat er am Anfang des 19. Jahrhunderts die Grenzregion im südlichen Niederösterreich in Atem gehalten. Mord, Brand, das volle Programm. Sein Waldviertler Zeitgenosse Grasel war gegen ihn der reinste Ministrant.
Wer die Geschichten rund um den Holzknechtseppl zum ersten Mal hört, will es nicht glauben: Doch die Räuberpassion beruht auf historischen Tatsachen. Die unfassbaren Grausamkeiten sind belegt, Dokumente wie die Predigt des Pfarrers bei der Hinrichtung sind wortwörtlich erhalten.
Dennoch ist die Räuberpassion kein Geschichtsbuch: Die Spannung zwischen dem, was ein G’schichtl ist, und dem, was man Geschichte nennt, ist nicht nur geduldet, sie ist erwünscht.
Wahr ist und bleibt das Unbegreifliche: Menschen fügen anderen Menschen auf brutalste Art und Weise Leid zu. Und wie gehen wir als Gesellschaft damit um? Wir schaffen vereinfachte, sensationsgeile Erzählungen über die „Ab-Artigen“, und erzählen sie weiter von Generation zu Generation: Schaulust, getarnt als Entsetzen. Erzählungen über das Böse, die verdrängen, dass es Erzählungen über uns sind: heute und hier.
Unsere Narrative versuchen, erklärende Kausalitäten im Leben von Menschen wie Nikolaus Schmidhofer zu finden. Sie klammern dabei aus, dass die Holzknechtseppln dieser Welt gar keine so ganz anderen sind, sondern Menschen wie wir. Und sie verdrängen die Tatsache, dass alles, was in diesen Menschen vorgeht, direkt verbunden ist mit dem, was wir miteinander als Gesellschaft sind.
Folgerichtig beschränken sich politische Antworten heute wie damals auf Verdrängung und vereinfachende Symptombeseitigung: aufhängen, ausweisen, einsperren. Doch das löst kein Problem: Denn die wahren Ursachen abnormer Brutalität kann nur beseitigen, wer sich ehrlich der Frage der gesellschaftlichen Mitverantwortung stellt.
Foto: August Lechner
Foto: August Lechner
Foto: August Lechner
Der Gunstverein
2018 treffen sich zwei Schulfreunde, die sich 30 Jahre lang nicht gesehen haben: Manfred Tauchner und Nikolaus Link. Ersteren lassen die Berichte über die Bluttaten der Stradafüßler seit Längerem nicht mehr los, letzterer ist gerade dabei, Mörderballaden im Dialekt zu verfassen.
Gemeinsam machen sie sich über die schockierend-faszinierende Historie des Holzknechtseppl her. Der Gunstverein wird gegründet. Die Akteur*innen rund um Viktoria Hillisch, Ernst Tauchner und Georg Bauernfeind bringen die „Räuberpassion“ auf die Bühnen des Landes zwischen Trattenbach und Wien. Der Erfolg lässt die Bande fliegen: Sie besteigen Besen und kehren 2024 als Hexen und -meister wieder.
FOTO: AUGUST LECHNER